Haftung im Pferderecht – Wer haftet, wenn etwas passiert?

Die Haltung und Nutzung von Pferden ist mit besonderer Verantwortung verbunden. Als große, sensible Fluchttiere reagieren Pferde oft instinktiv – und nicht immer vorhersehbar. Schon eine kurze Schreckreaktion kann erhebliche Sach- oder Personenschäden verursachen. Ob beim Reitunterricht, auf der Weide, beim Transport oder im täglichen Umgang: Kommt es zu einem Unfall, stellt sich regelmäßig die Frage, wer rechtlich haftet.
Die rechtlichen Grundlagen der Haftung im Pferderecht finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 833 ff. BGB. Diese Vorschriften regeln, in welchen Fällen ein Pferdehalter oder eine andere verantwortliche Person für Schäden einstehen muss, die durch ein Pferd verursacht werden.
Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Grundsätze der Pferdehalterhaftung, typische Streitfälle und die rechtlichen Besonderheiten im Zusammenhang mit Reitbeteiligungen, Pferdepensionen und Reitschulen.
Die Pferdehalterhaftung nach § 833 BGB
Gemäß § 833 BGB haftet derjenige, der ein Tier hält, für alle Schäden, die durch dieses Tier verursacht werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob den Halter ein Verschulden trifft – bei sogenannten Luxustieren (Freizeitpferden) greift eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung.
Das bedeutet: Schon allein die Tatsache, dass ein Pferd als Fluchttier eine spezifische Tiergefahr mit sich bringt (z. B. Scheuen, Ausschlagen, Beißen, Ausbrechen), reicht aus, um den Halter zum Schadensersatz zu verpflichten.
Wer gilt als Tierhalter?
Nicht immer ist der Eigentümer auch der Tierhalter.
Entscheidend ist, wer
-
die tatsächliche Bestimmungsmacht über das Pferd ausübt,
-
für die Kosten aufkommt und
-
den Nutzen und Wert des Tieres für sich beansprucht
Damit kann in bestimmten Fällen auch eine Reitbeteiligung oder ein Stallbetreiber als (Mit-)Halter im Sinne des Gesetzes gelten.
Nutztiere und Luxustiere – ein wichtiger Unterschied
Das Gesetz unterscheidet zwischen:
-
Nutztieren, die der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dienen (z. B. Schulpferde, Therapiepferde, Zuchtpferde)
👉 Hier gilt eine Verschuldensvermutung: Der Halter kann sich entlasten, wenn er nachweist, alle erforderliche Sorgfalt beachtet zu haben -
Luxustieren, also Pferden, die ausschließlich privaten Zwecken dienen.
👉 Hier greift die Gefährdungshaftung – der Halter haftet unabhängig davon, ob er ein Verschulden trifft.
Mitverschulden des Geschädigten (§ 254 BGB)
Die Haftung des Tierhalters kann eingeschränkt werden, wenn den Geschädigten ein Mitverschulden trifft.
Beispiele:
-
Der Reiter missachtet Sicherheitshinweise oder trägt keinen Helm
-
Eine Stallhelferin betritt die Box, obwohl sie weiß, dass das Pferd zum Ausschlagen neigt
-
Ein Kind läuft unbeaufsichtigt in die Reithalle und erschreckt ein Pferd
In solchen Fällen kann die Schadensersatzpflicht des Tierhalters reduziert oder sogar ausgeschlossen sein
Sonderkonstellationen der Haftung im Pferderecht
Reitbeteiligung
Bei einer regelmäßigen, kostenbeteiligten Reitbeteiligung erkennt die Rechtsprechung oft eine Mithaltereigenschaftan.
Das bedeutet: Die Reitbeteiligung trägt ein eigenes Risiko und kann im Schadensfall mithaften.
Dennoch bleibt der Pferdehalter grundsätzlich in der Verantwortung, sofern der Unfall nicht ausschließlich auf Reiterfehler zurückzuführen ist.
Hufschmied und Tierarzt
Kommt es bei einer Behandlung oder beim Beschlagen zu einem Schaden, können auch Hufschmiede oder Tierärztehaftbar sein.
Gleichzeitig kann der Tierhalter in Anspruch genommen werden, wenn der Schaden auf das Verhalten des Pferdes zurückzuführen ist (z. B. Ausschlagen beim Beschlagen).
Das OLG Köln (Az. 19 U 129/15) hat entschieden, dass Hufschmiede bei Fehlern im Beschlag nach denselben Grundsätzen haften wie Tierärzte – es gilt eine Beweislastumkehr, wenn der Fehler eindeutig ursächlich für die Verletzung des Pferdes war.
Pferdepension und Einstellbetrieb
Auch Betreiber von Pferdepensionen tragen Verantwortung für die ihnen anvertrauten Pferde. Kommt es etwa durch fehlerhafte Fütterung, mangelhafte Aufsicht oder riskante Vergesellschaftung zu Schäden, kann eine Haftung bestehen – je nach Vertrag als Tierhüterhaftung nach § 834 BGB oder als vertragliche Pflichtverletzung.
Haftung in Reitschulen und Reitvereinen
In Reitschulen oder bei Turnieren entstehen Haftungsfragen zwischen Reitschülern, Reitlehrern, Stallbetreibern und Pferdehaltern.
Ein Reitlehrer haftet beispielsweise nur, wenn ihm eine konkrete Pflichtverletzung nachgewiesen werden kann – also etwa fehlende Sicherheitsanweisungen oder unzureichende Beaufsichtigung.
Ein bloßer Unfall beim Reiten begründet noch keinen Anspruch auf Schadensersatz.
Haftungsausschluss und Versicherung
Ein vertraglicher Haftungsausschluss zwischen Pferdehalter und Reiter ist grundsätzlich möglich, jedoch nur wirksam, wenn er klar und ausdrücklich vereinbart wurde.
Allgemeine Hinweisschilder wie „Reiten auf eigene Gefahr“ reichen meist nicht aus, um die Haftung vollständig auszuschließen.
Wichtig ist außerdem eine Tierhalterhaftpflichtversicherung – sie deckt Schäden ab, die durch die Tiergefahr verursacht werden, und schützt Halter wie Reitbeteiligte vor finanziellen Risiken.
Fazit: Haftung im Pferderecht – Verantwortung mit Augenmaß
Pferde sind faszinierende, aber auch unberechenbare Tiere. Ihre Haltung und Nutzung erfordert deshalb nicht nur Erfahrung, sondern auch Bewusstsein für die rechtlichen Konsequenzen.
Die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB stellt sicher, dass Geschädigte geschützt sind – zugleich bietet sie Pferdehaltern klare rechtliche Leitplanken, um Risiken zu minimieren.
Klare Verträge, sorgfältiger Umgang und ein angepasster Versicherungsschutz sind die besten Wege, Haftungsrisiken zu vermeiden – und dafür zu sorgen, dass das Glück der Erde nicht zur rechtlichen Stolperfalle wird.